Schmiede in schweren Zeiten

Kriegsdienst & Folgen (I)

Es waren auch sehr schwierige Zeiten zu überstehen, wie Stadtbrände, so 1739, bei der auch das Schmiedehaus komplett abbrannte und binnen eines halben Jahres neu errichtet werden musste.

Man lebte derweil notgedrungen mindestens ein halbes Jahr in den Kellern der Häuser...

Und ebenso schwere Kriegsereignisse, so der 30-jährige Krieg 1618-1648, der 7-jährige Krieg 1756-1763, die Einigungskriege 1864-1866, die beiden verheerenden und katastrophalen Weltkriege 1914-1918 sowie 1939-1945, die schwere Folgen auch direkt für die Schmiedefamilie des 20. Jahrhunderts mit sich brachten.

 

 

 

Schon der Erste Weltkrieg bedeutete einen tiefen und schweren Einschnitt für die wirtschaftliche Entwicklung der Schmiede und für das Leben der Herrnschmiedefamilie Heinevetter. Der älteste Sohn Martin (1886-1965), Schmied, wurde bei Kriegsausbruch zum 5. Matrosenregiment befohlen.

Auch seine Brüder wurden eingezogen. Georg (1888-1914), ebenfalls Schmied, diente beim 1. Gardereserveregiment zu Fuß beim Kronprinzen in Potsdam und fiel bereits am 5. September 1914 in Rehainviller – Nähe Nancy (Frankreich).

Johannes (1889-1918) von Beruf Maler, diente im 1. Jäger-Bataillon in Russland, wurde schwer verwundet und verstarb noch kurz vor Kriegsende am 8. Juni 1918.

Joseph (1892-1972), ebenfalls schwer verwundet, wurde entlassen und konnte seinen Beruf als Lehrer fortsetzen. August (1894-1959) wurde am 5. September 1917 schwer verwundet und kam ins Lazarett.

Von den insgesamt neun Söhnen hatten zu Anfang des 20. Jahrhunderts drei in der Schmiede und in der Landwirtschaft gearbeitet. Auch hier gab es Arbeit in Hülle und Fülle, denn 25 Morgen Land, ca. 6 Hektar, waren zu bestellen. In der Schmiede war während des Ersten Weltkrieges mehr als genug zu tun. Viele Dorfschmiede der Umgebung mussten ihren Amboss verlassen, um den sinnlosen Tod auf den Schlachtfeldern zu sterben.

Bereits fünf Söhne der Schmiedefamilie standen im Felde, und auch der sechste Sohn, Franz (1899-1924), blieb nicht verschont. Auch er kam versehrt aus dem Völkergemetzel zurück. Nur wenige Jahre blieben ihm noch - er starb 1924 an den Folgen seiner Verletzung (Lungenschuss). Nicht eingezogen wurden Albert (1901-1997) (er erkrankte jedoch 1917 lebensgefährlich an Typhus) und Karl (1903-1984) sowie Heinrich Heinevetter (1887-1931).

Wenigstens der Sohn Martin kehrte 1918 unversehrt aus dem Weltkrieg zurück und hatte noch im Krieg am 19. Mai 1918 Theresia Kobold aus Rengelrode geheiratet. Mehr und mehr übernahm der Sohn Martin in den folgenden Jahren ab 1919 den Schmiedebetrieb von seinem Vater. Franz-Xaver selbst erreichte ein hohes Alter von fast 85 Jahren und verstarb 1942.

Sein Sohn Heinrich, Angestellter der städtischen Kämmereikasse seit 1901, starb im 44. Lebensjahr, in der Mitte des Lebens stehend, im Jahr 1931 an einer Lungenentzündung. Er hinterließ seine Frau Sophie, geb. Huschenbett (Bäckerei) (1895-1975), mit fünf kleinen Kindern.

Zu seinen Aufgaben in der Schmiede gehörte es, in der Dunkelheit - ab vier Uhr morgens - bei den Zugpferden der Brauerei Ständer und der Papierfabrik Lovis, die vor dem Arbeitstag zum Hufbeschlag anstanden, mit einer Laterne für das zum Beschlag notwendige Licht zu sorgen. Er hatte ein sehr seltenes Gefühl für die Pferde – ein „Pferdeflüsterer“. Elektrisches Licht war in Heiligenstadt zwar seit 1901 verfügbar, jedoch in den kleineren Firmen und privaten Haushalten zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur äußerst selten.

Nur 21 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges 1918 begann mit dem deutschen Angriff auf Polen am 01. September 1939 der Zweite Weltkrieg.

Ein weiterer schwerer Schicksalsschlag traf die Herrnschmiedefamilie von Martin Heinevetter, als die Nachricht kam, dass der aus dem Arbeitsdienst (RAD) zum Militär eingezogene 18-jährige Sohn Martin am 18. Juli 1943 in Russland gefallen war, der einzige Sohn des letzten Herrnschmiedes.
Auch sein Cousin Gerhard Heinevetter[1] (1923-1943) – knapp 20-jährig –, die Cousins Franz Rossi (1922-1944), Elmar Rossi (1923-1944), Karl Heinevetter jun. (1926-1944), noch nicht einmal 20 Jahre alt, wurden Opfer des Zweiten Weltkrieges.

Von den sechs Vettern, die in den Krieg gezwungen wurden, kehrte als einziger der spätere Bäckermeister Xaver Gaßmann (1921-2009) zurück.


[1] Gerhard Heinevetter (1923-1943) – wie sein Vater Heinrich (1887-1931) und Bruder Albert (1930-2016) (letzterer von 1945-1959) - Angestellter der städtischen Kämmereikasse in Heiligenstadt.