Verbindung Fam. Rhode & Stumpf - Heiligenstadt/Oberkochen – Richard Stumpf sen. & jun.

Wir zitieren hier sehr gern – weiter unten – Inhalte einer Seite des Heimatsvereins Oberkochen von 2014.

Die Inhalte können wir voll und ganz bestätigen, denn der Verfasser der Website (Verf. d. W.) ist ebenfalls Enkelkind des im Beitrag erwähnten Großvaters Josef Rhode (1898-1975) & seiner Ehefrau Regina (1897-1975), geb. Weinrich, aus Heiligenstadt.

Mithin sind die Stumpfes-Kinder Christoph, Stefan, Maria, Johannes und Angelika Cousins bzw. Cousinen des Verf. d. W., somit, Richard Stumpf (1928-2007) und seine Frau Elisabeth, geb. Rhode, (1924-2010) Onkel bzw. Tante.

Elisabeth war die älteste Schwester der Mutter des Verf. d. W., Mathilde, geb. Rhode, (1928-2003).

Der Verf. d. W. weilte selbst in der Wendezeit 1989 bzw. 1990 und später auch noch einmal mit Familie 1996 zu Besuch in Oberkochen im Silcherweg 13 und hat die große Gastfreundschaft der Familie Stumpf herzlich und dankend kennenlernen dürfen.

Es sei vermerkt, dass im Eichsfeld Jahrbuch 2018 Paul Lauerwald einen Beitrag zu Richard Stumpf senior (1892-1958) verfasst hat, der umfassend die Geschichte Richard Stumpf senior als Kolpingherbergsvater bzw. Kolpinghausmeister, für die Zentrumspartei, später die CDU-Ost in Heiligenstadt beschreibt und auch auf dessen Marinebericht im Ersten Weltkrieg eingeht.

Zu finden in: Eichsfeld-Jahrbuch (26) 2018, S. 285-300.

Richard Stumpf junior (1928-2007) spielte wiederum im Arbeiteraufstand des 17. Juni 1953 in Heilbad Heiligenstadt als BGL-Vorsitzender (Betriebsgeswerkschaftsleitung) der MEWA (Metallwarenfabrik, später Solidor) eine wichtige Rolle.

Zudem zählte er zu den ersten Mitgliedern der Ost-CDU im Landkreis Eichsfeld.

Richard Stumpf zählte auch zu den Mitinitiatoren und Hauptakteuren bei der Errichtung des Heiligenstädter Dünkreuzes durch Kriegsheimkehrer als Dank für ihr Überleben des Krieges im Jahre 1948. Seine Mitstreiter und er haben sich hier bleibende Verdienste für die Stadt Heiligenstadt und das Eichsfeld erworben; eine Würdigung konnte der Autor im Rahmen eines Aufsatzes im Jahre 2003 zum 65. Jahrestag der Dünkreuz-Errichtung vornehmen, die 2019 bzw. 2023 noch einmal aktualisiert wurde. Leider sind inzwischen alle Zeitzeugen, zuletzt Aloys Schade, Erfurt, im Februar 2023 (im 99.), verstorben.

Richard Stumpf wurde im Zuge der nach der Niederschlagung des Aufstandes v. Juni 1953 anlaufenden Verfolgungswelle wegen seiner deutlichen Wortmeldung zu den Ereignissen (Kritik an den Maßnahmen der Regierung in Berlin, Ablösung der Funktionäre) auf einer sog. “Betriebsversammlung” (18. Juni 1953) dann doch 6 Monate später am 18.01.1954 verhaftet – der Machtapparat der SED hatte sich wieder “stabilisert”.

Der SED war sehr daran gelegen, dass ausgehend von der Belegschaft der MEWA eine Forderung nach Bestrafung des BGL-Vorsitzenden verlangt wurde. Dazu kam es jedoch dank der Solidarität der Mitarbeiter der MEWA nicht; dennoch ließ der Machtapparat keine Ruhe walten und so erfolgte die Verhaftung – unter wahrscheinlich maßgeblicher Mitwirkung des seinerzeitigen Vorsitzenden des Rates des Kreises, W. Gleissner.

Nach Gefängnisaufenthalt in der Heiligenstädter Ratsgasse Altes Ratshaus (3 Monate),

Dann erfolgte die Überführung in das Gefängnis in Weimar im April 1954. Am 13. April 1954 wurde Richard Stumpf im Zuge eines offensichtlich politischen Prozesses – die Anklage lautete auf Verbrechen nach Art. 6 Abs. II der Verfassung der DDR und Kontrollratsdirektive 38 Abschnitt II Artikel III A III – vor dem Bezirksgericht in Weimar zu einem Jahr Haft verurteilt. Immer noch waren die Zeugenaussagen aus dem Unternehmen MEWA pro Richard Stumpf gerichtet, sodass der Staatsanwalt sich nicht auf diese Zeugenaussagen stützen konnte.
Somit ergab sich das Strafmaß von „nur“ einem Jahr Haft – zudem konnte ihm die unterstellte sogenannte “Boykotthetze” nicht nachgewiesen werden, sondern „nur” “tendenziöse Gerüchte verbreitet zu haben, die geeignet waren, den Frieden des deutschen Volkes und der Welt zu gefährden”.

Anschließend erfolgte die Verlegung in die Strafvollzugsanstalt Gotha, später die Verlegung in die Andreasstraße in das Gefängnis nach Erfurt. Die Haftbedingungen müssen nach heutigen Begriffen menschenunwürdig gewesen, kleinste Einzelzellen zum Beispiel, rigoroser Kasernenhofkommandoton und kaum vorstellbare “Kasernenmethoden” und Schikanen der schlechtesten Art (u.a. Nachts geweckt werden, komplett entkleiden, Untersuchung und Wechsel in eine andere Zelle) – der Mensch sollte zum nichts degradiert werden.

Dennoch betont Richard Stumpf in seiner Erinnerung immer wieder, dass einzelne Funktionsträger hinter ihrer offiziellen “Funktionsmaske” noch einen gewissen Rest von Menschlichkeit besaßen – so beispielsweise bei der Essenausgabe oder der Eröffnung der Möglichkeit, verbotenerweise zu Weihnachten 1954 die Erfurter Domglocken vom Gefängnishof aus hören zu dürfen. Dennoch gleicht es einem Wunder, dass die Häftlinge diese Bedingungen überlebten bzw. den psychischen Druck durchstanden. Nach seiner Haftentlassung war für Richard Stumpf klar, dass er der DDR unverzüglich den Rücken kehren würde und musste.

Noch im Jahre 1954 nahm Richard Stumpf über Westberlin den Weg in den Süden Deutschlands nach Oberkochen, weil sich dort Zeiss angesiedelt hatte; denn Richard Stumpf hatte ja seine Lehre bei Zeiss in Göttingen absolviert.

Nach der politischen Wende 1990 wurde das Willkürurteil des damaligen Bezirksgerichts Weimar durch das Thüringer Landgericht Erfurt aufgehoben und Richard Stumpf vollinhaltlich rehabilitiert.

Zum 50. Jahrestag des Volksaufstandes 1953 im Jahre 2003 wurde in der hiesigen Zeitung (TLZ) ein längeres Interview noch einmal mit Richard Stumpf (damals schon 75-jährig) geführt und veröffentlicht – eine PDF dazu finden Sie hier.

Richard Stumpf verstarb knapp 80-jährig im Jahre 2007 in Oberkochen – diese Seite möge auch seinem Andenken und der Familien-Erinnerung mit dienen.


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Wie die Familie Stumpf nach Oberkochen kam

hier folgt nun – mit Dank an den Autor W. Müller – die zitierte Seite -> “Serie »Oberkochen – Geschichte, Landschaft, Alltag«

Bericht 674 von Wilfried Billie Wichai Müller

http://www.heimatverein-oberkochen.de/berichte/bericht674.htm

 

Wir schreiben das Jahr 1953. Die Situation in der DDR war äußerst gespannt. Der Staatshaushalt hatte massive Schräglage. Die meisten Investitionen wurden, auf Kosten der Ernährungs- und Konsumgüterindustrie, in die Schwerindustrie gepumpt. Somit war die Ernährung der Bevölkerung nicht mehr gewährleistet. Dazu kam die laufende „Abstimmung mit den Füßen“, sprich die Flucht in die BRD. Zu jener Zeit gab es auch viele Strafgefangene.

Auch die evangelische Kirche wurde in dieser Zeit stark angegangen. Verschärfend kam noch hinzu, dass die Arbeitsnormen zum 30. Juni wegen des bevorstehenden 60. Geburtstages von Walter Ulbricht um 10 % erhöht wurden. Es rumorte in der Arbeiterschaft. Die Sowjets lehnten einen weicheren Kurs ab und die Dinge nahmen ihren Lauf. Der 17. Juni begann mit Streiks in den Großbetrieben, mündete in Demonstrationszügen in den großen Städten und führte letztendlich zu einer gewaltsamen Niederschlagung des Volksaufstandes durch die „Brüder“ aus der Sowjetunion.

Innerhalb der kommenden 7 Monate wurde über 1.500 Personen der Prozess gemacht. Die ganze Bandbreite zwischen Freispruch, mehrjährigen und lebenslangen Gefängnisstrafen in der DDR oder in sowjetischen Gulags sowie der Todesstrafe wurde ausgenutzt.

In der Folgezeit nahm die Republikflucht wieder zu und der Zustrom von Flüchtlingen aus der DDR nach Oberkochen wurde wieder deutlich größer, was sich in den „Meldungen über neu Zugezogene“ in den Amtsblattausgaben in Oberkochen ablesen lässt.

Und damit sind wir dann auch schon bei der Geschichte der Familie Stumpf und wie sie nach Oberkochen kamen, die uns nachstehend mein Schulfreund Christoph Stumpf schildert:

Der Grund für unsere Republikflucht lag darin begründet, dass mein Vater nach dem oben beschriebenen Volksaufstand wegen einer regimekritischen Äußerung, die er als Betriebsrat öffentlich abgegeben hatte, verhaftet und ein Jahr lang eingesperrt wurde. Nach seiner Entlassung ist er 1954 über Berlin in den Westen geflüchtet (wie so viele andere auch) und letztendlich bei seiner alten Lehrfirma Carl Zeiss, jetzt aber in Oberkochen, gelandet. Unterkunft fand er im alten HJ-Heim, nun Bergheim genannt, oberhalb des Turmwegs mit der Hausnummer 24, das inzwischen als Männerwohnheim genutzt wurde.

Irgendwie ist es ihm dann gelungen im neu erbauten Mietshaus in der Sonnenbergstr. 2 (das etwas in die Jahre gekommen ist, auch wenn es innen wohl anders aussehen mag) eine 2-Zimmer-Wohnung zu bekommen. Damit war die Voraussetzung geschaffen, seine Frau und seine beiden kleinen Buben Christoph und Stephan nachzuholen. Aber wie stellt man das an? Die Berlin-Route war inzwischen geschlossen und so musste eine andere Lösung gefunden werden. Nach dem Motto „wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg“, und der menschliche Verstand kann sehr kreativ sein, wurde die Sache angegangen. Das gesamte „Nachzugs-Projekt“ wurde in 5 Schritte eingeteilt.

 

Schritt 1

Mein Großvater mütterlicherseits, Josef Rhode, war kriegsblind. Er hatte im 1. Weltkrieg mit 18 Jahren durch einen Granatsplitter beide Augen verloren. Er stellte nun einen Antrag auf Genehmigung einer Besuchsreise zu einem ebenfalls kriegsblinden Kriegskameraden mit Namen Georg Junghans, der seinerzeit in Schorndorf wohnte. Selbstverständlich wurde dem alten blinden Mann eine Reiseerlaubnis erteilt. Vielleicht sogar mit der stillen Hoffnung verknüpft dass er dort bleibt – und man hätte im Osten einen nicht produktiven Kostgänger weniger gehabt.

Schritt 2

Großvater bedankte sich für die Genehmigung, beantragte aber gleichzeitig eine solche für seine älteste Tochter – meine Mutter Elisabeth – denn ohne Begleitung war eine Ausreise schlichtweg unmöglich. Also mussten die DDR-Oberen auch diese Ausreise nolens volens genehmigen.

Schritt 3

Meine Mutter bedankte sich ebenfalls, gab aber gleichzeitig an, dass sie ihren blinden Vater nur begleiten könne, wenn sie ihre damals 2 und 3 Jahre alten Kinder, also mich und Stefan, mitnehmen könne. Gut vorzustellen, dass die nur zähneknirschend erlaubt wurde. Aber letztendlich zählt allein das Ergebnis. Die Genehmigung galt nun für Großvater, Mutter und Kinder. Klingt irgendwie nach dem russischen Märchen vom Rübenziehen….. 

Schritt 4

Und so fuhr der Zug mit dem blinden Opa, der Mutter und ihren zwei Kindern sowie reichlich Gepäck via Stuttgart nach Schorndorf und dann gleich weiter nach Oberkochen – in die neue Heimat am Sonnenberg. Das Projekt der Familienzusammenführung war geglückt, weil der kreative Flüchtlingsverstand besser arbeitete als der DDR-Verhinderungsverstand. Aber wie kommt der blinde Opa Rhode wieder zurück in die „Zone“ nach Heiligenstadt zu seiner Frau und Familie? Dazu bedarf es des

Schrittes 5

Parallel zu unserem „Transfer“ hatte mein Großvater väterlicherseits, Richard Stumpf sen., auch Kriegsveteran aus dem 1. Weltkrieg, ebenfalls eine Reise zu Verwandten in die Nähe Nürnbergs beantragt und genehmigt bekommen. Wie es der Zufall so will, trafen sich beide Opas bei ihren Kindern und Enkelkindern auf dem Sonnenberg und reisten von dort aus gemeinsam zurück ins „Paradies der Arbeiter und Bauern“. Im Laufe der Zeit gab es noch ein paar Geschwister und als der Sonnenberg zu klein wurde, zogen wir alle in ein eigenes Haus im Silcherweg 13.

Wir lernen aus dieser Geschichte, dass mit guten Ideen, einem starken Willen und günstigen Umständen vieles möglich war und auch heute noch ist.

Nachtrag zu Elisabeth und Richard Stumpf jun.

Elisabeth geb. Rhode wurde 1924 in Reinholterode im Eichsfeld als erstes von 5 Kindern geboren. Den II. Weltkrieg erlebte sie als Krankenschwester in einem Lazarett in Kassel. Es folgte die Ausbildung zur Damenschneiderin mit eigener Werkstatt mit Lehrlingen und Gesellen. Daneben bekleidete sie das Amt der Obermeisterin der Schneiderinnung Heiligenstadt. Nach der Flucht nach Oberkochen führte sie in Vollzeit das „Familienunternehmen Stumpf“, bei der sie großen Eindruck als Köchin hinterließ und dafür sorgte, dass alle Familienmitglieder in maßgeschneiderter Oberbekleidung das Haus verließen.

Als 4. Kind von Richard Stumpf (siehe unten) wurde Richard jun. 1927 in Nürnberg geboren. Den II. Weltkrieg überlebte er bei der Marine. In Göttingen machte er bei Zeiss eine Lehre als Feinmechaniker. Später Facharbeiter und Betriebsrat in der MEWA Metallwarenfabrik in Heiligenstadt. Nach der Flucht Facharbeiter und Meisterprüfung bei Zeiss in Oberkochen. Anfang der 60er Jahre wechselte er in Bereich RRM (Relais-Rechnen-Maschinen) und wurde damit Mitglied des Teams, das seinerzeit die EDV in Oberkochen aufbaute. Da die ersten Computer bei Zeiss von Zuse kamen (z.B. Zuse 22) lernte er auch Konrad Zuse persönlich kennen. In diesem neuen Tätigkeitsfeld war er bis zu seiner Pensionierung tätig. Er war zeitlebens ein sozial umtriebiger Mensch. Er war Initiator und Leiter der katholischen Arbeitnehmerbewegung, Gründungs- und Ehrenmitglied der CDU Oberkochen und aktiver Mitarbeiter in der katholischen Kirchengemeinde Oberkochen. Kurz – ein Mensch der Spuren hinterlassen hat.

Nachtrag zu Richard Stumpf sen.

Geb. 20. Feb 1892 in Gräfenberg / Bayern gest. 23. Juli 1958 in Heiligenstadt / Eichsfeld. Katholisch. Von Beruf Zinngießer und Mitglied einer christlichen Gewerkschaft. 1912 bis 1918 Dienst bei der Kaiserlichen Marine.

Während der Jahre des Großen Krieges schrieb er Tagebücher, obwohl das strikt verboten war. Dieses Kriegstagebuch wurde von Historikern analysiert und war Teil einer Ausstellung im Frühjahr 2014 in Wilhelmshaven unter dem Titel „….die Flotte schläft im Hafen ein – Kriegsalltag in Matrosentagebüchern 1914 bis 1918“.

Dazu waren zur Eröffnungsfeier alle Enkel von Richard Stumpf sen., also unsere Oberkochener Stumpfes, eingeladen und sie waren mächtig stolz auf ihren Opa: Christoph, geb. 1952, Stephan, geb. 1953, Maria, geb. 1957, Johannes, geb. 1959 und Angelika, geb. 1963.

Mehr Details dazu unter folgendem Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Stumpf

Anmerkung

Das ist eine gute Gelegenheit die geschätzten LeserInnen zu bitten, Ihre eigene spannende Geschichte „Wie ich nach Oberkochen kam“ zu veröffentlichen. Für das Bildmaterial dieses Artikels geht mein Dank an Christoph und Marion Stumpf, geb. Triemer, sowie an Hartmut und Inge Müller, geb. Schrader.

Wie immer grüßt, der Schulfreund von Christoph, recht herzlich vom „alten“ Sonnenberg. Mit einigen der Stumpf-Geschwister habe ich heute noch Verbindung und wir sehen uns regelmäßig beim Schulzeit-Treff – Wilfried Billie Wichai Müller.

Email: wichai(at)t-online.de 

zitierter Teil mit freundlicher Genehmigung von Herrn Wilfried Müller, Oberkochen, (Jan. 2021), übernommen – vielen Dank!