Die bekannteste und älteste Schmiede in Heiligenstadt war die so genannte Herrnschmiede in der heutigen Lindenallee, die bereits vor dem Jahre 1600 bestanden haben muss.
Der letzte bisher erforschbare Herrnschmied, Urahn der Herrnschmiedefamilie, Jakob Heinevetter, wurde um 1580 in Heiligenstadt, Sankt Marien, geboren.
Er hatte mindestens eine Tochter, Margaretha, die schon 1629 im Kirchenbuch Sankt Aegidien als Taufpatin erwähnt wird. Berücksichtigt man das notwendige Patenalter mit den kirchenrechtlichen Voraussetzungen (eigener Taufe und eigener Firmung) sowie, dass Margaretha offensichtlich noch ledig war, wird sie sehr wahrscheinlich zwischen ungefähr 1600 - 1610 geboren sein. Daraus folgt, dass ihr Vater Jakob mindestens 1580 geboren ist, wenn nicht sogar noch davor. Denn er musste ja auch erst noch Meister der Schmiedezunft werden, was auch wieder gewisse Voraussetzungen der Schmiedezunft und ihrer Regeln hatte.
Zudem entsteht ein Begriff Herrnschmiede nicht so ohne weiteres, sondern setzt eine langjährig erfolgreiche und qualitativ gute Tätigkeit voraus für die Stiftsherren, die nämlich den Namen geben für diese Schmiede.
Berücksichtigt man dann noch, dass erst 1540 nach dem Bauernkrieg und den Wirren sowie auf die Bestrafung der Stadt Heiligenstadt dann der Vizedom (Stellvertreter des Kurfürsten, Erzbischofs in Mainz) vom Rusteberg nach Heiligenstadt umzog und dann notwendigerweise auch dessen Pferde beschlagen wurden, kann durchaus realistisch gesagt werden, dass die gewählte Schmiede nach 1540 mindestens langsam in Tätigkeit gekommen sein muss.
Aktenkundige Belege und 100% Beweise hierzu zum genauen Anfangszeitpunkt der Herrnschmiede sind allerdings bisher (noch) nicht gefunden worden. Dies könnte aber durch die zunehmende Digitalisierung - Stichwort Landesstaatsarchiv Sachsen-Anhalt als eine große Quelle Eichsfeldischer Akten und Dokumente- durchaus noch über den einen oder anderen Hinweis ggf. noch gefunden werden. Auch mit dem sehr wahrscheinlichen Bezug zur Herrnmühle (Stiftsmühle), bei der die Forschung tiefer vorhanden ist - darauf freuen wir uns.
Im Jahre 2003 wurde vom Autor der Website die seinerzeit erforschte Geschichte der Herrnschmiedefamilie Heinevetter in einem Jahrbuchbeitrag zusammengetragen. Eine wesentliche Aktualisierung als Vortrag im Herbst 2022 und Frühjahr 2023.
Schon im Jahre 1632 wird im Kirchenbuch Herrnschmied Jakob Heinevetter erstmals erwähnt.
Mindestes zehn Generationen der Heinevetter-Familie arbeiteten hier.
Die Schmiedewerkstatt, in der einst die Schmiedehämmer klangen, befand sich mindestens seit dem großen Stadtbrand von 1739 bis 1964 in dem 1739 neu errichteten Gebäude in der Lindenallee Nr. 537 (heute Nr. 27). Die Herrenschmiede aber ist noch mindestens 100-150 Jahre älter, wird sie doch 1632 im Kirchenbuch erwähnt.
Am Haus befindet sich heute der Schriftzug
„1739 – Herrenschmiede – 1964“.
Folgende Herrnschmiede-Meister (Besitzer der Schmiede) sind bisher bekannt:
1. | JAKOB HEINEVETTER | (um 1580-1658) | Herrnschmied lt. Kirchenbuch-Eintragung St. Aegidien aus dem Jahre 1632 (Tochter Margreta) |
2. | ERNST HEINEVETTER | (um 1617-1680) | tritt im Bürgerverzeichnis v. 1671 als Eigentümer des (Schmiede-) Hauses auf |
3. | CHRISTOPH HEINEVETTER | (1649-1711) | Mstr. – sehr wahrscheinlich Schmied – erscheint mehrfach im Kirchenbuch St. Marien |
4. | HENRICUS HEINEVETTER | (1683-1763) | 1722 Meister der Schmiedezunft zu Heiligenstadt, RE v. 1739/40 vorhanden (Stadtarchiv) |
5. | CHRISTOPH HEINEVETTER | (1729-1798) | 1758/59 Schmiedemeister, 1781-1782 führt er mit Meister David Haber d. Bücher der ehrwürdigen Schmiedezunft zu Heiligenstadt |
6. | MARTIN HEINEVETTER | (1772-1843) | Schmiedemeister – (verünglückt bei einem Jagdunfall) |
7. | MARTIN HEINEVTTER | (1807-1891) | Schmiedemeister – half bis in die späten 1880-er Jahre bei Sohn Franz-Xaver in der Schmiede |
8. | FRANZ-XAVER HEINEVETTER | (1857-1942) | ab 1887 Obermeister der Schmiede-Innung, (Ur-Großvater des Autors), Söhne August, Martin, Georg auch Schmiede (z.t. Spezial-Hufbeschlagsausbildung, Erfurt u.a.) |
MARTIN HEINEVETTER II. | (1834-1885) (1802-1873)
| Schmiedemeister - in der Marktschmiede in Heiligenstadt, die bis 1905 zur Herrnschmiede | |
9. | MARTIN HEINEVETTER | (1886-1965) | letzter Herrnschmied (als Schmiedebesitzer); besuchte die Hufbeschlag-Lehrschmiede in Erfurt und in Halle, |
10. | MARTIN HEINEVETTER jun. | (1924-1943) | 1943 - Martin, Schmied, gefallen; |
* MTS - Maschinen-/Traktoren-Station - Vorläufer der späteren LPG in der DDR
1963/1965 muss schließlich die Herrenschmiede nach weit über 380 Jahren schließen – altersbedingt und in Folge mangelnden Nachwuchses, der einzige Sohn Martin, (geb. 1923), des letzten Herrenschmiedes war 1943 in Russland gefallen, ein ganz schwerer Schicksalsschlag für die Familie. Bereits ab 1957 wurde die Schmiede vom Mitarbeiter und Schmiedemeister Willi Rittmeier, Großvater der Ehefrau des heutigen Hauseigentümers, noch einige Jahre weitergeführt.
Quelle: Matthias Heinevetter, Heiligenstadt.
* neben den jeweiligen Besitzern haben immer auch zahlreiche Geschwister, vielfach ebenfalls als Meister, in der Schmiede mitgearbeitet
** die Marktschmiede, Marktstraße 9, (heute: Schmiede Nelz) gehörte bis etwa 1905 mit Martin Heinvetter II. (1834-1885), ein Vetter( Cousin) des Herrnschmieds Franz-Xaver Heinevetter, als Meister ebenfalls zur Heinevetter-Schmiede
*** die Begriffe Herrenschmiede & Herrnschmiede (siehe Rechnungs-Formular Franz-Xaver Heinevetter von 1910) – werden synonym verwendet, jedoch ist Herrnschmiede der eigentliche & ursprünglich korrekte Begriff)