“… einen hl. Eid zu Gott und einem hl. Evangelio” – der Bürgereid von 1670

Bürgereid & Herrnschmied Ehrnesto Heinevetter 1670

Ein ledergebundener Folioband von ca. 800 Blatt aus dem Jahre 1670/1671, der sich im Stadtarchiv zu Heiligenstadt befindet, und wie durch ein Wunder die Geschehnisse der Jahrhunderte rund 350 Jahre überdauert hat, enthält alle Liegenschaften und Abgaben der Bürger jener Zeit.

Folgt man dem Weg des Steuerschreibers von 1670, so findet man im Obersten Viertel der Altstadt, in der Nordseite der (heutigen) Lindenallee neben der sog. Kemenate nach Osten hin und zwischen Johann Gerhardi & Engelbert Vogt das SCHMIEDEHAUS (heute Lindenallee 27), danach geht es zu Mauergasse und zum Fuchswinkel.

Dabei zahlte man für ein Brauhaus 13 Kaisergroschen 10 Pfg., für ein Kothaus (Katenhaus) 7 Kgr. 2 Pfg., von einem Acker Land, wenn er nahe lag, 6 Kgr., wenn er weit lag, 4 Kgr. Die Acker lagen allerdings in der Stadtflur sehr zerstreut, da der Besitz bereits stark zerstückelt war. 1/2 bis 2 Acker war die Regel, sodass z.B. 50 Morgen fast an 30 verschiedenen Stellen lagen.

Seit dem Mittelalter war die Stadt Heiligenstadt (973 urkundlich ersterwähnt) in vier Viertel eingeteilt:
Obere und Untere Altstadt, Obere und Untere Neustadt. Das alte Rathaus (Ratsgasse) standgenau auf dem Schnittpunkt der vier Viertel über der Geislede, die auch die Alt- von der Neustadt trennte (Vgl. Johann Wolf: Heiligenstadt, § 49, S. 119-122).

Erst im Jahre 1773 wurde durch Kurfürstlichen Befehl eine neue, durchlaufende Nummerierung der Häuser (ca. 550) durchführt sowie eine neu Zuordung zu 4 Vierteln (vgl. Johann Wolf, Heiligenstadt, § 49, S. 119).
Das Stadtregiment führte der Bürgermeister mit dem Rat. Die Oberaufsicht führte der Stadtschultheiß als Kurfürstlicher , Mainzer Beamter.

Die ersten Seiten des Lagerbuches enthalten die einzelnen Flurteile und den Bürgereid, danach folgen die Liegenschaften und Abgaben der Bürger. Da sie der Reihenfolge nach aufgeführt sind und zuweilen Straßennamen erwähnt werden, kann man anhand des alten Stadtplanes von Johann Fluck (1646) die Lage der damaligen Wohnhäuser noch sehr genau feststellen. Der größte Teil der Stadt brannte zwar später im Jahre 1739 nieder, aber die Lage der Straßen ist im allgemeinen geblieben (vgl. auch Johann Wolf, Heiligenstadt, S. 227).

Das Lagerbuch beginnt wie folgt:

Lage vor Heiligenstadt und waß jedes Geschoß giebet, von Herrn Stadtschultheißen Johann Christoph Zwehlen, Bürgermeistern und beeden Räthen, auch denen Pfahlherren wegen gemeintlicher Bürgerschaft benanntlichen Hr. Georgio Freytagen, Georgen Pingeln, Georg Wißen und Adam Würsteschmidten einträglichen gemachet, den 9. Januarii Anno 1671.“

Liegenschaften und Einkünfte der Bürger wurden abgeschätzt und die jährlichen Abgaben (Geschoß, Thomasgülte, Pachtgeld, Wegegeld, Pfann-, Bürgergeld usw.) flossen in die Stadtkasse oder standen dem Kurfürsten zu. Nach der Höhe der Abgaben richtete sich auch die Menge des Viehes, das der Bürger halten dürfte. Der Bürgereid lautete:

Ich schwöre einen hl. Eid zu Gott und einem hl. Evangelio, daß ich alle meine, in und vor hiesiger Stadt liegenden Güter an Haus und Hof, Acker, Malz, Gärten, Wiesen, Flecken und wüsten Baustätten, selbe mögen auch Namen haben, wie sie wollen, wie mir anbefohlen, richtig specificieren und anzeigen, auch nit das Geringste, was diesfalls dem gemeinen Wohle, Stadtkämmerei und dem Geschoß zum Nachteil, Schaden und Abtrag gereichen möchte, verschweigen, verhalten oder durch andere hinterhalten lasse, sondern alles, von Stück zu Stück, spezifizieren und. dabei, was Lehen, frei oder meinem Gnädigsten Herrn und andere Thomas Gülte, Zins, Zehent oder sonsten schoßbar sei, ich auch anderes verpfändet und von anderen pfandweis, auch meiersweise innehaben möchte, benennen und treulich melden.

Da auch ein oder anderes verschweigen und ich darüber betreten würde, Herr Schultheiß, Bürgermeister und Rat befugt sein solle, selbiges zu confiszieren und mich darüber als einen Meineidigen bestrafen lassen wolle.

So wahr mir Gott helfe und ein hl. Wort.”

Obiger Aydt ist der Bürgerschaft ohne Respect der Persohnen viertelsweiß in Curia Senatoria [Rathaus] abgeschworen, den 3o ten Oktobris anno 1670.
(nach HIG Lagerbuch 1671 – Transscription – StA Heiligenstadt – ca. 1950-er Jahre)

Übrigens ist VOR der Schmiede der große Baum – die berühmte “Linde by der herrenschmieden“, wie 1739 in einer Ratsrechnung an den Rat der Stadt Heiligenstadt des Bildhauers Jagemann erwähnt (nach dem Brand – die Holzreste), deutlich zu erkennen.

Zu den Akten der Stadtkämmerei aus dem Jahre 1739, reichte für den 8. Juli 1739 der Bildhauer Jagemann eine Rechnung über zwei Taler für Reparaturarbeiten ein, worunter er vermerkte:

Wenn E.V. Rath mir die Linden bey der Herrenschmieden überlaßet, so kann
das geld reservirret werden”
.

Auch wenn das ursprüngliche Haus 1739 beim Stadtbrand leider abgebrannt ist, so weist der Flucksche Stadtplan von 1646 EINEINDEUTIG auf das besagte Haus hin.

Mündlich ist von den Altvorderen der mindestens etwa 10 Generationen der vergangenen Jahrhunderte … seit Herrenschmied Jacob (um 1580 – 1658) des weiteren überliefert, dass vor dem noch breiten Platz in der Lindenallee zur Ratsgasse hin, also vor der Herrenschmiede, eine alte Linde stand. Sie soll im Laufe der Zeit eine solche Mächtigkeit entwickelt haben, daß sie zuletzt nur von sieben erwachsenen Männern mit ihren Armen umfasst werden konnte.
Bereits als sie halb so dick war, habe man eiserne Krampen in ihr Holz geschlagen, woran die Pferde, die in der Schmiede beschlagen werden sollten, angebunden wurden. Je dicker die Linde wurde, desto tiefer wuchsen die eisernen Haken in das Holz, und es mußten immer neue eingeschlagen werden. (Vgl. auch Kramann, Maria: Heiligenstadt wird ein Marktflecken und 1227 zur Stadt erhoben. In: Eichsfelder Heimathefte (EHh) 5 (1965), S. 170)

Immer wieder, in längeren Zeitabschnitten, mussten die Lindenbäume auch erneuert werden, so nach 1739 und zuletzt vor 30 Jahren im Jahre 1992 (Stadtverschönerungen). In den letzten Jahren der späten DDR-Zeit um 1989 boten die Linden einen geradezu jämmerlichen Anblick, sie waren schlecht oder gar nicht beschnitten, teilweise hohl und so auch noch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit.

Aus den 1960-er Jahren ist zu berichten, dass es in dieser Zeit für uns unter den Lindenbäumen noch Maikäfer zu suchen gab (mit den bekannten Folgen in den berühmten Zigarrenschachteln unter der Schulbank…). Gefühlt, konnten wir als Kinder ganze Vormittage oder Nachmittage unter den Lindenbäumen spielen.
Nach meiner Erinnerung wurde auch in den 1960-er Jahren im sogenannten Nationalen Aufbauwerk eine Umgestaltung der Lindenallee vorgenommen und die teilweise heute auch noch erkennbare, wieder neu errichtete, Mauerumfassung mit dem Springbrunnen am westlichen Ende errichtet.

Auf dem Bild aus den 1930-er Jahren ist neben der etwa 100 Jahre alten Linde (rechter Bildrand) auch noch eine Litfaßsäule zu erkennen, die den Krieg überstand und auch noch bis weit in die DDR-Zeit als Propagandainstrument der jeweils Herrschenden genutzt wurde.
In den späten 1970-er Jahren schaffte es dann sogar eine öffentliche Telefonzelle etwa 5 m westlich (gedacht linker Bildrand) neben die Litfaßsäule und bot so der allgemein telefonlosen DDR-Bevölkerung die Möglichkeit, zumindest im sogenannten Selbstwähl-Fernverkehr noch Anrufe im Inland zu tätigen…

Manch schöne, aber auch traurige Ereignisse im Umfeld der Herrnschmiede und unter den Linden gibt es noch zu berichten – freuen Sie sich schon auf die Fortsetzung III unter dem Thema –

Soli Deo Gloria – Leben nach dem großen Stadtbrand im Jahre 1739