Ordnung & Ablauf ab 1773

...Regulierung der Procession auf den Palmensonntag

Eine so große Prozession, wie die Palmsonntagsprozession in Heiligenstadt verlangt eine umfangreiche Vorbereitung. Schon in alter Zeit, bis 1773 vor der Schließung der Jesuitenniederlassung und dem Verbot des Jesuitenordens durch Papst Papst Clemens XIV. auf Druck der Könige von Frankreich, Spanien und Portugal, übernahmen die Jesuiten die Prozessionsregie und gaben mit den Schülersodalitäten auch den wesentlichen Rahmen des Passionszuges.

Aus dieser jesuitischen Zeit existiert eine Anordnung in den Akten des Bischöflichen Kommissariats zu Heiligenstadt, I. Fach 9, Nr. 6a, die bereits Hermann Schüttel in seiner bekannten Broschüre, “Die große Leidensprozession in Heiligenstadt”, 2003, S. 17 ff. wie folgt zitiert:

»Regulierung der Procession auf den Palmensonntag.
§ 1. Wenn schöne Witterung ist, so wäre die procession zu
führen durch die Rathsgasse vor den Heimelstein hinnauf bey
der Klaussmühle durch die Gasse an der Straße herrunter über
das Markt durch die Neustädter Kirche.

§ 2. ist die Witterung schlecht, so wird die procession aus
der Schule über das Markt durch die Neustädter Kirche gefüret,
von da in die Stiffiskirche, von der Stiffiskirche durch den
Knickhahn in die Altstadt, allwo in der dasigen Ebene der
Kreise geschlossen und von dem Volk gesungen wird Jesu
Christe, von einem Priester aber ein pater und ave gebettet
wird, hiernächst wird 3 mahl gesungen O Crux, von dem Priester
die collect. respice gebettet. Endlich stillschweigend mit
dem particul S. Crucis der Segen gegeben. Hierauf gehet die
procession in Ordnung durch die Rathsgasse wieder nach der
Schule, hierauf wird die Andacht in der Altstädter Kirche mit
dem Miserere und Segen beschlossen.

Auf was für Art die Procession gehen könnte:
1.) Der processions-führer in Trauer Kleider, nach welchen
die Trivial-Schulen folgen (Volksschulen).

2.) wird getragen die bildnuss, welche vorstellt die Einsetzung
des Hochwürdigen Sacrament des Altars, wird geziehret
und getragen von der ersten Class, welche sogleich auch eintritt.

3.) folget der Oehlberg, wird geziehret und getragen von
der 2ten Class, so ebenmäßig hierauf nachfolget.

4.) kommt die Bildnuss, welche die Verspottung Christi vor­stellet, wird geziehret und getragen von der 3ten Class, welche auch ihre ordnung hier haltet.

5.besorget die 4te Class Christum flagellatum, und folget derselben auch nach.

6.besorget Sodalitas Magor (maior) die Bildnuss Christi crucifixi, wornach eintretten die Herren philosophi und emeriti.

7.folget der Haussmann und das Heil. Grab, wie auch die Herren Sodales Mariani.

8.die Bürger Sodalität.

9.) die Junggesellen Sodalität.

10.das Andächtige Frauenzimmer.«

Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle auch noch einmal der große deutsche Dichter Theodor Storm, Kreisrichter von 1856-1864 in Heiligenstadt, der in seiner Novelle “Veronika”, 1861, außerordentlich eindrucksvoll den Prozessionszug und die Prozessionbilder beschreibt.

Noch 1870 kann man in den „Eichsfelder Volksblättern“ über den Verlauf der Prozessionen wie folgt nachlesen:

»Ist am Vormittage des Palmsonntags die Palmenweihe und der Gottesdienst beendet, so ertönet kurz nach zwölf Uhr ein Hornsignal, auf dessen Ruf sich die Schützenkompagnie am Ausgangspunkte der Prozession
zur Aufstellung formiert, um diese nach althergebrachter Weise als Ehrenwache zu eskortieren.

Kurz darauf beginnt das dreimalige Geläut, die Gläubigen im oberen Teile der Lindenallee, wo die Prozession ihren Ausgang nimmt, zu versammeln.

Inzwischen werden die tragbaren Bildnisse in der Ordnung aufgestellt, in welcher sie im Zuge einander folgen sollen, zu jedem derselben begibt sich ein Priester mit zwei Ministranten, sowie als Ehrenwache eine Abteilung der Schützengilde.

Nachdem dann eine kurze Andacht abgehalten ist, beginnt der Zug in nachstehender Reihenfolge sich in Bewegung zu setzen. Geleitet von einem Führer, wird die Prozession von den Knaben und Mädchen des Waisenhauses eröffnet, von denen erstere sowie deren Führer kleine schwarze Kreuze in den Händen haben.

Den Waisenkindern folgt das erste Bildnis, welches, ebenso wie die anderen Figuren, von mehreren Männern getragen wird …«

Gemäß dieser sehr alten Tradition, die bis weit ins 17. Jahrhundert reicht 1638 / 1655, je nach Forschungsstand auch bis 1581, erfolgt bis in die Gegenwart der 20-er Jahre des 21. Jahrhunderts die Gliederung des Prozessionszuges in seinen sechs Bildern.

In den “Eichsfelder Heimatsstimmen” von 1962 finden wir im Artikel “Die Palmsonntagsprozession in Heiligenstadt“ von W. Kühne, die auch Hermann Schüttel in seiner Broschüre von 2003 erwähnt, eine noch heute gültige Darstellung der Aufgliederung des Prozessionszuges:

1. Station — Das heilige Abendmahl.
Eine aufrechtstehende Christusfigur, bekleidet mit weiten farbigen Gewändern, hält in der linken Hand einen Kelch, diesen mit der rechten Hand segnend. Davor, auf zwei kleinen Tischen, liegen einige Weintrauben (eine Nachbildung) und drei Brötchen aus reinem Weizenmehl. Trauben und Brötchen symbolisieren Wein und Brot bei der Abendmahlsfeier des Herrn mit seinen Jüngern.
Dieser Station folgen Schüler.

2. Station — Christus am Ölberg.
Christus, auf den Knien liegend, betet. Das Antlitz ist von Blutschweiß benetzt. Vor ihm, etwas erhöht, schwebt ein Engel, den ihm sein himmlischer Vater zur Stärkung gesandt hat. Die Gruppe wird von grünen Eibenzweigen umschlossen, sie sollen an den Garten Gethsemane erinnern. Dieser Gruppe folgen Schülerinnen.

3. Station — Die Verspottung.
Eine Christusfigur, in weißem Gewande, die Augen mit einem Tuche verbunden, die Hände auf dem Rücken gefesselt, umgeben von den Marterwerkzeugen.
Danach folgen die Jungmänner.

4. Station — Die Kreuzigung.
Ein großes, etwa vier Meter hohes Kreuz mit einem Corpus Christi in entsprechender Größe. Von sechs Männern aufrecht getragen, ragt es weithin sichtbar empor.
Diesem Bild folgen die Jungfrauen.

5. Station — Die Schmerzhafte Mutter.
Maria hält den Leichnam ihres göttlichen Sohnes auf ihrem Schoße. In ihrem Angesicht spiegelt sich das Leid und der Schmerz ihres Herzens ergreifend wider. Im Gegensatz zu den übrigen Figuren trägt diese Gruppe keine Gewänder aus Stoff …
Dieser Skulptur folgen die Männer.

6. Station — Das Heilige Grab.
Das Grab des Erlösers ist, was Ausstattung und Schmuck anbelangt,
der Höhepunkt der Prozession. Unter einem von vier Säulen getragenen Baldachin ruht auf weißen Tüchern und Kissen eine Figur, den Leichnam des Herrn darstellend. (Diese Plastik ist mit einem Schleier bedeckt.) Trauerflor, Blumen und Kerzen bilden den Schmuck. Auf dem Baldachin prangt eine reich verzierte Krone.
Sie ist ein Hinweis, daß Christus als Sieger über Tod und Hölle aus seinem Grabe auferstanden ist.
Zu beiden Seiten schreiten Oberprimaner des Gymnasiums mit brennenden Fackeln. In früheren Jahren trugen sie, gleichsam als Ehrenwache am Grab, Ehrendegen …
Hinter dem Heiligen Grab folgen zunächst die Pfarrer von St. Marien (Altstadt) und St. Aegidien (Neustadt) und alle Geistlichen, soweit sie ihren Platz nicht innerhalb der Prozession bei den einzelnen Figurengruppen haben. Ihnen schließen sich die Männer an, welche im kirchlichen oder öffentlichen Leben der Stadt durch ihr Amt oder ihre Tätigkeit hervortreten. Den Schluß bilden die Frauen.
So zieht die Prozession schon seit über 300 Jahren durch die Straßen Heiligenstadts.”